Studie: Baumrinde

Die Rinde eines Baumes spiegelt die Schadstoffbelastung seiner Umwelt wider. Dieser Umstand wurde für das vom Bündnis in Auftrag gegebene Rindenmonitoring genutzt. In der Studie wurde die Rinde von 47 Bäumen auf über 500 Pestizidwirkstoffe getestet. Insgesamt wurden 106 unterschiedliche Substanzen gefunden, am häufigsten der stark flüchtige Herbizid-Wirkstoff Pendimethalin, gefolgt von DDT, das seit Jahrzehnten in Deutschland verboten ist. Glyphosat, ein von den Zulassungsbehörden als nicht flüchtig eingestufter Wirkstoff, wurde an der Hälfte aller Standorte nachgewiesen.

Mittels Luftgüte-Rindenmonitoring hat das unabhängige Forschungsbüro TIEM im Auftrag des BEL Baumrinden an 47 unterschiedlichen Standorten in Deutschland auf Pestizid-Rückstände untersucht. Die Ergebnisse zeigen: Gleich, ob landwirtschaftliche Region, Naturschutzgebiet oder Großstadt – an allen 47 untersuchten Standorten wurde eine Pestizid-Belastung nachgewiesen. Insgesamt 106 Substanzen in unterschiedlichen Kombinationen fanden die ForscherInnen. Trauriger Spitzenreiter ist Pendimethalin. Auf Platz zwei folgt überraschend DDT, ein Wirkstoff, dessen Einsatz in Deutschland seit Jahrzehnten verboten ist. An über der Hälfte aller Standorte wurde außerdem Glyphosat nachgewiesen – ein besonders brisantes Ergebnis, denn bei Glyphosat galt eine Verfrachtung über die Luft bisher als ausgeschlossen. 

Bilder: Dipl.-Biol. Frieder Hoffmann entnimmt mit einem Spezialgerät Baumrinde, um sie im Labor auf Rückstände von Ackergiften zu untersuchen

Unsere Forderungen

Als Konsequenzen aus den Ergebnissen der Studie fordert das BEL die Aussetzung der Zulassung der Wirkstoffe Pendimethalin und Prosulfocarb, da die bisherigen Auflagen offensichtlich nicht ausreichend sind, um die Umwelt und den ökologischen Landbau zu schützen. Ebenso ist eine Neubewertung der Zulassung von Glyphosat notwendig, da die offensichtlich stattfindende Luftverfrachtung im Zulassungsverfahren derzeit nicht berücksichtigt wird. Eine Revision des europaweiten Zulassungsverfahrens für Pflanzenschutzmittel ist demnach dringend erforderlich: Ein umfassendes Monitoring der Auswirkungen auf Mensch und Umwelt muss einbezogen werden. Nur so kann angesichts der neuen Erkenntnisse langfristig die von der EU garantierte Koexistenz von ökologischer und konventioneller Landwirtschaft sichergestellt werden.

Würdigung

An dieser Stelle sei uns die Würdigung des Menschen erlaubt, ohne den diese Arbeit so nicht hätte verwirklicht werden können: Frieder Hoffmann ist am 4. März dieses Jahres überraschend verstorben. Als Umweltwissenschaftler hat er einen bedeutenden Beitrag zum Verständnis der komplexen Auswirkungen unserer heutigen Lebens- und Produktionsweisen auf die mehr-als-menschliche Welt geleistet. In unserem Auftrag hat er zuletzt die vorliegende Studie entworfen und durchgeführt. Bis zum letzten Atemzug war es ihm wichtig, die Sachverhalte korrekt darzustellen und dafür zu sorgen, dass die Schlüsse, die wir gemeinsam aus den gewonnenen Erkenntnissen gezogen haben und nunmehr ohne ihn weiter ziehen werden, politisch wirksam zu einem baldigen Ende des Gifteintrags in Feld und Flur führen. Ulrich Schlechtriemen, einer seiner langjährigen Partner, schrieb uns: »In über 25 Jahren gemeinsamer Zusammenarbeit haben wir nicht nur spannende und wissenschatlich interessante Projekte bearbeitet, sondern auch vielfältige interdisziplinäre Fragestellungen entwickelt und formuliert. Dabei war besonders auffallend, mit welcher wissenschaftlichen und auch praktischen Weitsicht Frieder an die Arbeiten gegangen ist. Seine umfassende biologische Denke, verbunden mit einer weitsichtigen Fähigkeit zur Problemerfassung und sowohl technischen, als auch praktischen Bewältigung haben seine Arbeit ausgezeichnet und unsere erfolgreichen Projektabschlüsse gewährleistet . Er war gleichzeitig Planer, Tüftler, Umsetzer und nicht zuletzt ein Begeisterer für Frage- und Problemstellungen rund um alles , was im Zusammenwirken von Mensch und Natur für ihn wichtig war. Es war eine große Bereicherung für mich, mit ihm zusammenzuarbeiten und seine hohe Motivation und gleichzeitig Menschlichkeit zu erleben. Er hinterlässt eine große Lücke.« Dem können wir uns nur anschließen.


Toxikologische Bewertung

Baumrinden-Monitoring der Pestizid-Belastung über die Luft: Eine toxikologische Bewertung

Im Auftrag des BEL hat der Umwelttoxikologe Dr. Peter Clausing einen Bericht erarbeitet, in dem er die 15 der in der Baumrindenstudie 2019 am häufigsten nachgewiesenen Wirkstoffe in Hinblick auf ihre Bedeutung für die menschliche Gesundheit näher betrachtet. Dabei handelt es sich um Boscalid, Clomazon, Diflufenican, Epoxiconazol, Ethofumesat, Flufenacet, Glyphosat, Metalaxyl, Metazachlor, Pendimethalin, Prosulfocarb, Prothioconazol, S-Metolachlor, Tebuconazol, Terbuthylazin. Nach den Kriterien der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gelten 13 jener Wirkstoffe offiziell als nicht flüchtig. Clausing kommt zu dem Befund, dass die Berücksichtigung einer Exposition des Menschen über die Atemluft ungenügend ist. Als wichtigste Problempunkte zählen dabei ein eventuell unterschiedlicher Metabolismus (Abbau im Körper) der Pestizide, wenn sie über die Lunge in den Körper gelangen, die ungenügende Berücksichtigung einer Mehrfachbelastung des Organismus durch verschiedene Pestizide sowie die kombinierte Wirkung durch das gleiche Pestizid bei parallelem Eintritt in den Körper durch den Magen-Darm-Trakt und die Lunge. Zudem kommt der Bericht zu dem Schluss, dass die amtliche Bewertung der Krebsgefahr – einer kritischen Stoffeigenschaft – bei sieben von 13 der am häufigsten in den Baumrindenproben gefundenen Wirkstoffe als ungenügend konstatiert werden muss. Dr. Clausing: »Dass die Behörden regelmäßig ihre eigenen Bewertungskriterien falsch anwenden oder außer Acht lassen und dadurch zu einer verharmlosenden Krebsbewertung kommen, ist inakzeptabel. Es zeigt sich, dass das Behördenversagen bei der Krebsbewertung von Glyphosat kein Einzelfall war.«


Stellungnahme zu BfR-Mitteilung
In seiner am 28.9.2020 veröffentlichten Mitteilung Nr. 045/2020 zu Abdrift befasst sich das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und unter anderem mit dem Bericht von P. Clausing (2020) „Baumrinden-Monitoring der Pestizid-Belastung über die Luft: eine toxikologische Bewertung“. Die BfR-Mitteilung enthält eine Reihe an Kritikpunkten, die bei Leser*innen ohne Vorkenntnisse den falschen Eindruck erzeugen können, dass der Bericht von Clausing (2020) fehlerhaft sei. Dr. Peter Clausing von PAN Germany und das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft beantworten die BfR-Kritik mit folgender Entgegnung.